Wie sind eigentlich die Bocholter Beginen? Sind sie fromm? Verstehen die Frauen Spaß? Antworten gab auf einer locker-humorvollen Feier anlässlich 10 Jahre Beginen-Haus.
Besondere Wohnform
Zwei Frauen aus Bocholt haben seinerzeit dafür gekämpft, dass sich in Bocholt wieder eine Beginenkultur entwickelt: Lieselotte Moeckel (Bocholter Beginen e.V.) und Inge Kunz (Fabi Bocholt). Gemeinsam mit weiteren Mitstreiterinnen haben sie 2009 den Verein Bocholter Beginen auf den Weg gebracht wie auch ein besonderes Wohnprojekt: ein Beginen-Haus. Und diese Wohnform gibt es nun seit 10 Jahren. Am 8. Juni 2024 wurde mit Ehrengästen, Bewohnerinnen und interessierten Besuchern Geburtstag gefeiert. Viel Geschichte in ein humorvolles Programm einbinden, das war die Aufgabe der Moderatorin Gabi Frentzen, die auch gleich den ersten Ehrengast – ganz im Sinne der Beginen – mit einem Wunschzettel ‘festnageln wollte’.
Doch bevor Bürgermeister Thomas Kerkhoff mit Sohnemann das Mikro übernehmen durfte, sorgte an diesem sommerlichen Tag die Musikerin Fenn-Live für die musikalische Einstimmung. Was eher soft und ruhig mit dem Song Only time von Enya begann, sollte später in schwungvollem Rock’n Roll zum Mitmachen enden. Doch dazu später.
Bürgermeister mit Sohn zu Gast
Nicht leicht sollte es Bocholts Bürgermeister gemacht werden, sein Grußwort zu übermitteln, denn als Familienvater mit Sohn auf dem Arm lässt sich ein Skript nur schwer umblättern. Aber kein Problem, den herzlichen Glückwunsch konnten Papa und Sohn gemeinsam loswerden. Und dafür gab es für das ausdrucksstarke Duo glatt einen Applaus.
Aus Dornröschenzeit wachgeküsst
„Für die Beginen gab es eine Dornröschenzeit”, so Kerkhoff in seiner Ansprache. „Umso schöner, dass diese Kultur wieder wachgeküsst wurde.” Die Beginen gestern wie heute seinen eine wunderbare Weggenossinnenschaft und eine Bereicherung für Bocholt, kennzeichne sie doch ein gleichberechtigtes Miteinander, das Unterstützen Schwächerer, die Offenheit für das Anders sein und der Respekt vor dem Glauben und der Gedankenfreiheit. „Jeder von uns braucht Gemeinschaft und Nähe”, so der Bürgermeister. „Es braucht Menschen, mit denen man diskutieren kann, an die man sich aber auch halten kann. Und genau so einen Ort haben sie hier geschaffen.”
Wunschzettel an die Stadt
Mit dem Dankeschön für seine Worte gab es auch gleich einen Wunschzettel. „Man ließ mich wissen, dass Sie hier ein Büdeken bauen müssen für die E-Scooter mit Ladestation, Herr Bürgermeister”, gab Gabi Frentzen den bei den Bocholter Beginen zuvor abgefragten Wunsch gleich weiter und machte deutlich, es handele sich nicht um einen Weihnachtswunsch, er solle den Unterstand doch schnell hinstellen.
Klaus Brücks gratulierte mit humorvollen Worten
Humorvoll ging es in der Begrüßung der weiteren Ehrengäste weiter. Gekommen war Klaus Brücks von der Pfarrgemeinde Liebfrauen, der die Bocholter Beginen anlässlich 10 Jahre Beginen-Haus darauf hinwies, dass man hier nun in der Pubertät angekommen sei. Er wünschte Gottes Segen und überreichte einen Umschlag mit den Worten: „Für dat Büdeken wird der Inhalt zwar nicht reichen”, er sei sich aber sicher, dass die Beginen schon was damit anzufangen wüssten.
Entschuldigen ließ sich Axel Gehrmann als Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde, der an diesem Tag nicht dabei sein konnte, in einem an die Beginen adressierten Grußwort aber Glückwünsche überbrachte und an die Beharrlichkeit der Gastgeberinnen damals erinnerte, dieses Projekt umzusetzen.
Wolf amüsierte mit ‘tugendhaftem Lebenswandel’
Thomas Wolf von der Wohnbau Westmünsterland gratulierte mit einem Mitbringsel und der Aufschrift: Ein Haus wird gebaut, aber ein Zuhause wird geformt. „Die Beginen in Bocholt sind wie eine Genossenschaft”, machte er in seinem Grußwort deutlich. „Sie stehen für Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung – so haben wir sie immer wahrgenommen. Das Beginen-Haus ist Wohnen mit großer Tradition.” Und lachend ergänzte Wolf: „Frömmigkeit, Nächstenliebe und tugendhafter Lebenswandel – für uns kann ich sagen, wir haben es nie anders kennengelernt.”
„Wir sind frech, haben Humor und genauso möchten wir auch dargestellt werden”, hatten Lieselotte Möckel und Inge Kunz ihre Moderatorin vor dem Festakt instruiert. Und genauso hielt Gabi Frentzen es auch, indem sie in einem locker geführten Interview wissen wollte, wer denn eigentlich die frechste Begine von allen ist, ob Männerbesuch über Nacht bleiben darf und wann denn endlich wohl weitere Beginen-Wohnungen gebaut werden. Und das Publikum durfte sich amüsieren, denn es gab Antworten. „Die frechste Begine bin ich”, so Inge Kunz. „Ich bin es, die die Spendengelder reinholen muss, damit wir Geburtstage wie heute ausrichten und Wunschlisten abarbeiten können. Da muss man manchmal schon ganz schön hartnäckig sein.” „Männerbesuch ist selbstverständlich erlaubt”, erklärte Lieselotte Möckel lachend. „Hier wohnen allerdings ‘is nich’!” Und die Wunschliste? Nun, der Büdekenbau ist offiziell beim Bürgermeister in Auftrag gegeben. „Wir haben alles im Video festgehalten”, schmunzeln Möckel und Kunz. „Wir sind uns sicher, das wird was.”
Aller Anfang war schwer
Natürlich ging Gabi Frentzen auf die anfänglichen Hürden ein, an die sich auch Annette Hünting, damals Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bocholt, noch erinnern kann. „Es brauchte mehrere Anläufe, aber letztlich stand doch jeder hinter dem Projekt”, so Hünting, die einen Zeitungsausschnitt aus De Gelderlander vom 23. Juni 2009 mitbrachte. Headline: Bocholtse vrouwen leven weer als begijnen (übersetzt: Bocholter Frauen leben wieder als Beginen). Subline: Begijnencultuur is onderdeel van emancipatie (übersetzt: Beginenkultur ist ein Teil von Emanzipation).
Ein Stück Geschichte locker serviert
Mit einem schwungvollen Frage-Antwort-Spiel mit weiteren Interviewpartnern servierte Gabi Frentzen ein Stück Geschichte, die am 24. März 1309 mit der ersten urkundlichen Erwähnung der Beginen im „lüttyke Beckinenhues (Schwarzes Kloster) in Bocholt ihren Lauf nahm. Die Gebäude standen damals übrigens auf dem heutigen Gelände des Kolpinghauses.
Bocholter Beginen kommen ohne „Meisterin” aus
Beginen-Konvente hatten damals eine „Meisterin”. „Ich bin hier nicht die Chefin”, machte Lieselotte Moeckel im Interview lachend deutlich. „Wir haben Regeln im Haus, ja, aber darin geht es um ganz normale Abläufe wie Treppenhaus putzen”, so die Initiatorin der neuen Beginenkultur in Bocholt. „Wir leben ganz zwangslos in einer Gemeinschaft und haben jede unsere eigene Wohnung, in der wir mehr oder weniger tun und lassen können, was wir wollen…” „Auch mal richtig laut Musik hören?” hakte Frentzen nach. „Auch das!” so Moeckel.
Beginen haben Lust auf Rock’n Roll
Und dass die Beginen Lust haben auf Musik – auch mal laut -, dass wurde einmal mehr deutlich, als Musikerin Fenneke Zonnebeld (Fenn-live) mit Rock’n Roll und Country nachlegte und sich die ein oder andere Begine wünschte, nochmal jung zu sein. Obwohl – jung sind die Bocholter Beginen in jedem Alter. Sie leben eine besondere Kultur und Wohnform, stehen für ihre Idee ein und wissen ganz genau, was sie wollen.
Beginen-Wohnungen: Warteliste ist lang
Kein Wunder also, dass die Warteliste für die insgesamt 14 Wohnungen lang ist. Und, wer weiß, vielleicht würde das Team Moeckel-Kunz noch einmal einen Hürdenlauf angehen, damit Bocholt weitere Beginen-Wohnungen bekommt, in diesem Fall jedoch, so durften die Gäste erfahren, spielt wohl doch das Alter eine Rolle mit: „Das müssen Jüngere übernehmen.” Der geeignete Nachwuchs soll sich allerdings noch nicht gefunden haben. Nun, vielleicht kann der Wunsch nach einer Beginen-Wohnung ja Ansporn sein, sich den Bocholter Beginen anzuschließen. Immerhin hat Lieselotte Moeckel in Bocholt nicht nur ihr Herzensprojekt umgesetzt, nein, sie hat sich auch noch ein eigenes Nest gebaut.
Führung mit Änne International als verrückter Programm-Abschluss
Und darauf ist zum Schluss ein besonderer Gast näher eingegangen: das Bocholter Unikum Änne International. In einer Führung (VIDEO) hat sie sich die Wohnung der 81-Jährigen mal genauer angesehen und das Moeckelsche Nest ganz schön durcheinander gebracht.
Lieselotte! Die verrückte Wohnungsbesichtigung mit Änne International – VIDEO