Die Gesellschaft im Kreis Borken und damit auch in Kommunen wie Bocholt ist gefestigt. Das sei aber nicht in Stein gemeißelt, machte Landrat Dr. Kai Zwicker jetzt in einem Gespräch mit Lokalpilot deutlich. Er spricht von einem möglichen Kipp-Punkt, den wir – auch in Bocholt – schneller erreichen könnten, als uns lieb ist und wirft als Landrat und Leiter der Kreispolizei Borken auch einen Blick auf das Attentat in Solingen.
Lokalpilot: Herr Dr. Zwicker, ist die Migrationspolitik vom Bund für Sie Anlass zur Sorge?
Dr. Kai Zwicker: Definitiv ja. Es geht ja längst nicht mehr um die Frage, Menschen Obdach zu gewähren. Es geht um Integration, die an vielen Stellen einfach nicht funktioniert. Davor darf man nicht die Augen verschließen. Die Realität ist: Deutschland kann nicht die Welt retten und wenn die Stimmung im Land kippt, dann kippt sie früher oder später auch im Kreis Borken. Natürlich gibt es nicht zuletzt auch aufgrund der hohen Sozialausgaben und explodierenden Integrationskosten Grund zur Sorge. Aber wenn unsere Gesellschaft auseinanderbricht, sich Parallelgesellschaften bilden, dann haben wir ein wirkliches Problem.
“Bund muss Möglichkeiten schaffen, Gefährder auch im Internet zu finden!”
Lokalpilot: Aus welchem Blickwinkel betrachten Sie das aktuelle Attentat in Solingen als Landrat und damit auch Leiter der Kreispolizeibehörde Borken?
Dr. Kai Zwicker: Als Mensch erschüttert mich der schreckliche Terrorakt sehr. Solch eine Gewalttat verurteile ich aufs Schärfste. Ich denke an die betroffenen Menschen, an die Familien. Sie alle haben mein Mitgefühl. Als Leiter der Kreispolizeibehörde Borken ist es mir ein besonderes Anliegen, bei der Erstellung von Sicherheitskonzepten bei Großveranstaltungen mit unseren Städten und Gemeinden zusammenzuarbeiten. Dazu stehen wir im engen Austausch mit den örtlich zuständigen Behörden und Veranstaltern. Hand in Hand treffen wir alle nötigen Sicherheitsmaßnahmen. Wichtig ist, dass wir es uns nicht nehmen lassen, unsere Feste weiterhin friedlich zu feiern. Dass das Sicherheitsgefühl der Menschen nach so einem furchtbaren Ereignis beeinträchtigt ist, steht außer Frage. Ziel ist es, dieses wiederherzustellen und zu stärken. Dafür wird die Polizei bei den anstehenden Veranstaltungen in Abstimmung mit dem nordrhein-westfälischen Innenministerium eine deutlich sichtbare Präsenz zeigen. Für erforderlich halte ich es auch, dass der Bund endlich Möglichkeiten schafft, Gefährder u. a. im Internet zu finden. Es kann doch nicht sein, dass wir auf Warnungen und Hinweise ausländischer Sicherheitsbehörden angewiesen sind, weil der Datenschutz wirksame Fahndungen verhindert.
Lokalpilot: Mit Brandbriefen von Kreis und Kommunen wurden ja schon mehrfach deutliche Worte nach Berlin entsandt. Was hat das gebracht?
Dr. Kai Zwicker: Wir können ja nicht den Kopf in den Sand stecken und nur zuschauen. Wichtig ist es, dass wir Probleme offen ansprechen und das tun wir im Kreis. Der Bund ist in der Pflicht, für Ruhe und Vertrauen zu sorgen. Diesbezüglich ist eine vernünftige Migrationspolitik unerlässlich, denn die wirkt sich auf unser gesamtes Gesellschaftsbild aus. Ich bin froh, dass wir hier im Kreis Borken die Auswüchse einer Politik, die für viele Bürger nicht mehr nachvollziehbar ist, noch nicht in der Form zu spüren bekommen wie in Teilen Ostdeutschlands und in manchen Großstädten. Das kann sich aber ganz schnell ändern.
“Grenzen der Aufnahmefähigkeit sind erreicht!”
Lokalpilot: Aktuelle Vorfälle wie das Messerattentat in Solingen sorgen für Unruhe, die aber auch vor Ort zu einem Kipp-Punkt führen könnten, richtig?
Dr. Kai Zwicker: Vorfälle wie diese zeigen immer wieder, dass es in unserem Land ein großes Problem gibt. Die Grenzen der Aufnahmefähigkeit sind erreicht, das ist Fakt. Auf europäischer Ebene muss konsequent nach Lösungen gesucht werden. Wenn wir die westliche Demokratie mit der Freiheit, die wir genießen dürfen, erhalten wollen, dann müssen wir unsere Gesellschaft schützen.
Lokalpilot: Das heißt, Sie sprechen sich für eine kontrollierte Einwanderung aus?
Dr. Kai Zwicker: Auch wenn die SPD sich schwertut und die Grünen dies nicht akzeptieren wollen: Wir müssen die unkontrollierte Zuwanderung stoppen, die Grenzkontrollen müssen bleiben. Es ist den Bürgern nicht verständlich, warum jeder einfach ins Land kommen darf. Hinzu kommt: Wenn ich als Einwanderer oder Flüchtling nach Deutschland komme, dann muss ich mich der Gesellschaft anpassen. Das setzt ein hohes Maß an eigener Bereitschaft voraus, die aber leider nicht immer mitgebracht wird. Auch das ist eine große Herausforderung für die Städte, für unsere Gesellschaft.
“Wer straffällig wird, muss in sein Land zurück”
Lokalpilot: Als Landrat sind Sie auch Polizeichef – aus welchem Blickwinkel sehen Sie das Thema Abschiebung?
Dr. Kai Zwicker: Wer in Deutschland kriminell und straffällig wird, der muss in sein Land zurück, ich beziehe da ganz klar Position. Warum sollen wir solchen Menschen, die unser Rechtssystem, die Art wie wir leben und unseren Glauben ablehnen, eine Bleibe bieten? Jede Rechtsordnung ist nur so gut, wie sie akzeptiert wird. Wird sie das nicht mehr, dann bricht alles zusammen. Ich glaube, das Münsterland ist ein gutes Beispiel dafür, wie Einwanderung über Jahrzehnte hervorragend funktioniert hat. Wenn Großstädte ernsthafte Probleme haben – und die haben sie -, dann werden auch uns diese Probleme früher oder später erreichen und damit auch Städte wie Bocholt.
Lokalpilot: Es gibt ganz, ganz viele Beispiele für gelungene Integration. Wie läuft das eigentlich an unseren Schulen?
Dr. Kai Zwicker: Auch hier gibt es Beispiele, die zeigen, das vieles nicht ganz so einfach ist. Spricht man mal mit Lehrerinnen und Lehrern in Integrationsklassen, dann zeigt sich ein ganz differenziertes Bild: Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine mit kyrillischem Alphabet auf dem Laptop: Sie sagen Ja sagen zu Englisch-Sprachunterricht. Beim Deutschunterricht heißt es mitunter: hm, ja mal gucken. Und dazu kommen Schülerinnen und Schüler aus dem arabischen Raum, die oft viele Jahre gar keine Schule besucht haben, wie auch Teenager aus dem schwarz-afrikanischen Raum, die noch lernen müssen, wie man den Stift richtig hält. Das ist die Wahrheit, vor der man die Augen nicht verschließen darf. Und irgendwann tut sich dann Frust auf, weil viele der Menschen, die in den vergangenen Jahren immer bereit waren zu helfen und es immer noch sind, feststellen, dass sie die Probleme, die sie täglich sehen, nicht mehr bewältigen können.
Lokalpilot: Lassen wir die Wahlen 2025 mal außen vor: Wenn sich in der Migrationspolitik in den nächsten fünf Jahren nichts ändert, welche Auswirkung hätte dies für den Kreis Borken mit seinen Kommunen?
Dr. Kai Zwicker: Dann werden auch wir es mit einer Parallelgesellschaft zu tun haben. Ich finde es immer sehr interessant, wenn man beispielsweise im Kreisgebiet ein großes Schützenfest besucht und dort auf ganz normale Menschen trifft, die mit den Diskussionen in Berlin gar nichts zu tun haben. Die möchten einfach nur in Lohn und Brot stehen, für die Kinder eine vernünftige Schule haben und die Chance erhalten, Eigentum zu erwerben bzw. zu halten. All die anderen Dinge drumherum wie Gendern & Co. interessiert gar nicht. Auf eben diesem Schützenfest fühlt man Optimismus, weil die Menschen sich dort, wo sie leben, wohlfühlen und diese Menschen packen auch gerne mit an. Diese Menschen stehen für unsere freiheitliche demokratische Gesellschaft. Sie würden niemals sagen: „Wir wollen ein autoritäres System.“ Was sie aber klar und deutlich sagen: „Seht zu, dass ihr das Problem gelöst bekommt! Vor allem auch: Redet euch die Welt nicht schön!“
“Wirtschaft, Gehälter, Wohlstand, Eigentum – auch das bereitet Sorgen”
Lokalpilot: Ist denn Eigentum wirklich so wichtig für eine gut funktionierende Gesellschaft?
Dr. Kai Zwicker: Ich glaube ja. Hier im Westmünsterland war es auch Bürgern mit normalen Gehältern bislang möglich, Eigentum zu erwerben. Das ist inzwischen nicht mehr so. Die Immobilienpreise zu hoch, die Zinsen gestiegen, eine Inflationsrate, die inzwischen glücklicherweise wieder etwas gesunken ist, hohe Baupreise und teils unüberschaubare Finanzierungszeiträume – das sehe ich als Handicap für unsere bislang immer gut funktionierende Gesellschaft. Eigentum ist eine wichtige Basis. Was Gehälter und Wohlstand anbelangt: Damit sind wir beim Thema Wirtschaft – auch die bereitet mir Sorgen.
Lokalpilot: Sie meinen den Stellenabbau in der Industrie und die Stimmung in der Wirtschaft aufgrund fehlender Impulse aus der Politik?
Dr. Kai Zwicker: Gigaset, Olbrich, Flender, Autoneum – ja. Bocholt ist ein potenter und starker Wirtschaftsstandort, eine starke Lokomotive. Aber man darf sich nicht zurücklehnen und sagen: Hey, hier läuft alles von alleine. Manchmal treffen uns Entwicklungen geballt. So tut der Arbeitsplatzabbau bei Olbrich und Flender richtig weh. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter dort immer gute Löhne bekommen haben. Selbst dann, wenn dann wieder neue Arbeitsplätze geschaffen werden, heißt das nicht, dass es diese Löhne wieder geben wird. Eines ist nicht von der Hand zu weisen: Das zunehmende Wohlstandsgefälle ist gefährlich und: Die Schaffung von Eigentum ist die beste Sozialpolitik, die man betreiben kann.
Lokalpilot: Was ist denn der Wunsch, den die Bürger im Kreis äußern?
Dr. Kai Zwicker: Dass alles wieder normal ist.